Mutti Natur im Kräutergarten Eden

Es regnet Bindfäden in Goldrain. Es regnet Bindfäden und der Himmel ist grau. Das goldgelbe Kräuterschlössel der Firma Kräuter Gold leuchtet im Grau und Dunkelgrün des Martell-Tals.

Ein Schlösschen mit Zinnen und allem was dazu gehört dazugehört und alles in Goldgelb.    „Mittlerweile haben die Leute akzeptiert, dass Sonnengelb die Farbe ist, die zu uns passt“, sagt Annemarie Gluderer und lacht. „Den Kräutergarten zeige ich Ihnen, wenn es aufgehört hat zu regnen, jetzt kommen Sie erstmal ins Büro.“

Das Büro von Kräuter Gold ist klein. Computer, halbzugeklappter Laptop, in dem ein Bestellschein eingeklemmt ist, halboffenes CD-Rom Laufwerk. Der Raum wird von einer einzigen Glühbirne erhellt, die müde von der Decke baumelt – kein Lampenschirm. Hinter Annemarie Gluderer im Regal stehen kleine Parfümfläschchen in Chrom-Optik, von denen das Konterfei Reinhold Messners herunterblickt. „Wir machen ja eine Kosmetik- und Parfümserie für Herrn Messner. Die Produkte tragen alle Namen von Achttausendern, die Herr Messner bestiegen hat“, Annemarie Gluderer lächelt.

Das Damenparfüm „Nanga Parbat“ – eher blumig, der Herrenduft Manaslu, wild und herb.

Das machen, woran man Freude hat

Der Regen hat aufgehört. Über einen Schotterweg geht es in den Kräutergarten. Die Steinchen knirschen, die Pflanzen tropfen. Annemarie Gluderer in dunkelblauem Fleece, abgewaschenen schwarzen Jeans und weißen Turnschuhen zwischen Korimoko und Alant; Edelweiß und Pfeffersalbei. Ein Bild der Harmonie. Mutti Natur im Kräutergarten Eden.
„Innovation“, sagt Gluderer unvermittelt „Innovation heißt für mich, dass man etwas macht, was nicht jeder macht, woran man Freude hat, was die Familie gemeinsam macht.“ Die Familie von Annemarie Gluderer: das sind ihre drei Kinder Manuel, Marion und Michael – „die drei Ms“, nennt sie sie scherzhaft – und natürlich ihr Mann. „Der ist der Chef“, sagt die 47jährige resolut und dann lacht sie herzlich.

„Unsere Kunden können hier herkommen und einfach durch unseren Kräutergarten spazieren. Das ist ein Service, den wir kostenlos anbieten“, erläutert Gluderer. Die Kräuter im „Kräuter Gold“-Kräutergarten werden nicht gespritzt. Das Familienunternehmen gehört dem Verband Alternativer Anbauer an. „Das ist der strengste Verband.“, ergänzt sie.

m Dachgarten des Kräuterschlössel ist ebenfalls ein kleiner Kräutergarten. Hier wird sanfte Musik gespielt. „Wellness-Musik“, wie Gluderer das nennt. Für das nächste Frühjahr wurde ein Stück Dachterrasse angebaut. Dort können es sich Kräuter Gold-Kunden dann in Liegestühlen bequem machen, den Duft frischer Kräuter einatmen und entspannen. Kostenlos, versteht sich.
Kräutergold bietet seinen Kunden auch Verkostungen von Bioprodukten an. Biobrot, Bio-Speck und natürlich Kräuterquark und Kräuterbutter mit hauseigenen Kräutern.


„Hier, Edelweiß“, sagt Annemarie Gluderer mit gedämpfter Stimme, „bauen wir an; ist gut gegen Falten“. Frau Gluderer hat wenige Falten – eigentlich nur Lachfältchen um die Augen - und eine gesunde Gesichtsfarbe. Bergwandern war sie schon zwei Jahre nicht mehr. „Wir arbeiten sieben Tage die Woche“, sagt sie und sieht glücklich aus. Das Gewächshaus von Kräuter Gold ist nicht sehr groß und befindet sich neben dem Dach-Kräutergarten. Das Glas des Gewächshauses stammt aus einem Bürogebäude. „Die hatten denen die falschen Scheiben geliefert und wir haben gedacht, bevor das weggeschmissen wird, bauen wir unser Glashaus daraus.“, erzählt Annemarie Gluderer.


Kräuter Gold - TIS innovation park - Uni Siena

Im Verkaufsraum von Kräutergold riecht es wie im Teeladen. Das liegt an dem Tee, den es hier zu kaufen gibt. „Seniorenkräuter“, „Kinderkräuter“, „Liebesmischung“ – Tee für jede Lebensphase. Tee, Kräutersirup, Kräutersalz und Gewürzmischungen werden direkt in Goldrain produziert. Die Kräuter für Parfüm und Kosmetika werden in kleinen Säckchen nach Padua gebracht und dort weiterverarbeitet. Mit Hilfe des TIS innovation park ist es Kräuter Gold gelungen, Experten der Universität Siena zu finden, die derzeit die Kräuter Gold-Produkte untersuchen und nach Verbesserungsmöglichkeiten für die einzelnen Cremes und Lotions forschen.

32 Grad Raumtemperatur und ein Duft wie in der Kräutersauna: im Trockenraum lässt es sich aushalten, vor allem, wenn das Wetter draußen eher unwirtlich ist. Zurzeit trocknen hier orangefarbene Ringelblumen, rosa und dunkelrote Kornblumen vor sich hin. 100 Kilo Frischkraut brauchen zwei Tage bis sie so trocken sind, dass anschließend die Blätter von den Stengeln getrennt – gerebelt – werden können. Die getrockneten Stengel werden allerdings längst nicht mehr weggeworfen. „Die verwenden wir als Polstermaterial für unsere Postsendungen, wenn wir Zerbrechliches verschicken müssen.“ Annemarie Gluderer ist stolz auf ihren Erfindungsreichtum. Die Blätter und Blüten der getrockneten Kräuter werden zu Pulver verarbeitet. Weil das Pulver an Qualität verliert, wenn es zu lange in der Mühle liegen bleibt, hat Familie Gluderer eine Absaugvorrichtung installiert, die das frisch gemahlene Pulver sofort aus der Mühle absaugt.

Die Bio-Welt von Kräuter Gold ist einfach in Ordnung. Wenn man hier durch den Kräutergarten schlendert, in Verkaufs-, Trocken- und Lagerräumen schnuppert, vergisst man, dass es außerhalb des Kräutergärtchens Eden von Familie Gluderer die raue Wirklichkeit noch gibt. Man steigt ins Auto, es riecht unangenehm nach Benzin, startet den Motor, der viel zu laut knattert, fährt vom Grundstück. Ein letzter Blick auf das goldgelbe Kräuterschlössel. Die Sonnenblumen nicken einem traurig zum Abschied zu und schon beginnt es wieder zu regnen – Bindfäden.